Montag, 22. Dezember 2008

Hochschulstandort Waldeck-Frankenberg – Klingt komisch, is’ aber so...

Zugegeben, es klingt schon etwas skuril für einen Einheimischen, dass vielleicht schon bald die Studenten und Professoren ins Waldeck-Frankenberger Land strömen. Doch genau das könnte schon bald passieren, wenn das ehrgeizige Projekt des scheidenden Landrates umgesetzt werden würde. Dieser hatte die Idee ins Spiel gebracht, eine „Hochschule Waldeck-Frankenberg“ zu gründen, die, engverwoben mit der Berufsakademie Nordhessen und der Holzfachschule Bad Wildungen, eine weitere Bereicherung in der heimischen Bildungslandschaft werden soll.
Betrachten wir uns das Projekt doch einmal aus der Nähe. Geplant ist die Gründung einer privaten Fachhochschule im Landkreis in einer gemeinsamen Trägerschaft von öffentlicher Hand und privaten Unternehmen. Sie soll Vorbild- und Pilotfunktion für eine künftige Entwicklung von Hochschulen in Hessen sein und Studienmöglichkeit in der Region für junge Menschen aus der Region bieten. Der Aufbau von Studiengängen mit internationaler Ausrichtung soll in enger Abstimmung mit der regionalen Wirtschaft und den hier ansässigen Dienstleistungsunternehmen erfolgen. Derzeit werden Studiengänge in den Bereichen Holzwirtschaft, nachhaltiges Bauwesen und Energieeffizienz, Gesundheitswirtschaft und Wirtschaftsrecht geplant. Der Landkreis unterstützt die Hochschule nachhaltig mit Mitteln aus den Erträgen des Zukunftsfonds. Vorgesehen sind bis zu 1,2 Mio. Euro jährlich als Investition in Bildung.

Doch wie ist die Ausgangslage? Alle Fraktionen des Kreistages Waldeck-Frankenberg haben in der Sitzung im September 2008 die Gründung einer Fachhochschule in Waldeck-Frankenberg einhellig begrüßt. Die geplante enge Anbindung der künftigen Fachhochschule an die Wirtschaft und Einrichtungen der Gesundheitswirtschaft sowie kooperierende andere Bildungseinrichtungen läßt eine dezentrale Struktur als sinnvoll erscheinen. Als Standorte sind daher Bad Wildungen, Korbach und Frankenberg vorgesehen. Räumlichkeiten sind an allen drei Orten kostenfrei bzw. zu günstigen Konditionen verfügbar. Die notwendige Ausstattung für die ersten Studiengänge kann bis zum geplanten Studienbeginn Oktober 2010 beschafft werden. Und es schein, als wären die Voraussetzungen nicht die schlechtesten! Waldeck-Frankenberg und die Region Nordhessen verfügen über einen ausgewogenen Branchenmix in der Wirtschaft. Daneben spielen Tourismus und Gesundheitsbranche wirtschaftlich eine große Rolle und sorgen für einen hohen Bekanntheitsgrad der Region. Die noch stark ausgeprägte Landwirtschaft entwickelt zusätzliche Geschäftsfelder, auch auf dem Markt regenerativer Energien und im Bereich Biomasse. Und Wirtschaft, Handel und Gesundheitswesen benötigen qualifizierte Fachkräfte, auch und insbesondere für Führungsaufgaben, so dass ein Nachfragepotenzial nach Fach- und Führungskräften in der Region vorhanden ist. Das Fehlende höhere Bildungseinrichtungen in der Region ist mit ein Grund für die negative demografische Entwicklung. Daneben gewinnen Hochschulen mit hohem Praxisbezug zunehmend an Bedeutung gegenüber dem Studium an Universitäten und in fast allen Bundesländern wird die Gründung von berufsbezogenen Studiengängen unterstützt.

Die Akkreditierung der Studiengänge ist bereits angelaufen und die Curricula der einzelnen Studiengänge werden derzeit verfasst. So dasß schon bald die Bachelorstudiengänge Betriebswirtschaft, Internationale Betriebswirtschaft, Wirtschaftsingenieurwesen, Bauingenieurwesen und Mechatronik anlaufen könnten. Für die Folgejahre sind dann weitere Studiengänge wie Wirtschaftsund Verwaltungsrecht, Sozialwesen / Sozialarbeit, Übersetzen und Dolmetschen, Medizinische Assistenzberufe, Informatik mit Wirtschaftsinformatik, Kunststofftechnik, Energietechnik und Environment and Sustainability Management (ESM) geplant. Bis zum Jahresende soll dem Hessischen Wissenschaftsministerium der Entwurf eines Antrags auf institutionelle Akkreditierung vorgelegt werden.

Das Aufwuchsschema sieht vor, dass zum Studienbeginn (wahrscheinlich 2010) ca. 80 Studierende immatrikuliert werden. Eine jährliche Steigerungsrate von rund 100 Studenten wird angestrebt, so dass nach fünf Jahren rund 500 Studenten den Campus bevölkern. Der Lehrkörper soll entsprechend aufwachsen, so dass nach fünf Jahren etwa 20 Professorenstellen geplant sind.
Doch wollen wir uns die Finanzplanung noch einmal genauer betrachten. Nach derzeitigem Stand werden wohl Studiengebühren von 4.800 Euro pro Jahr fällig werden. Von denen jedoch ca. 30-40% Stipendien erhalten sollen. Der Landkreis wird sich an den Anfangsinvestitionen beteiligen und durch das Land Hessen wird sowohl eine investive Hilfe in der Startphase, als auch eine Mitfinanzierung nach dem Hessischen Hochschulgesetz erwartet. Außerdem sollen mindestens vier Stiftungsprofessuren eingeworben werden.

Die Liberalen in Waldeck-Frankenberg unterstützen die Hochschulpläne jedenfalls, wie FDPKreistagsfraktionsvorsitzende Adolf Graf in seiner jüngsten Haushaltsrede betonte: „Die Pläne zur Gründung einer Hochschule in Waldeck-Frankenberg und der dafür vorgesehen Haushaltsansatz von 1.2 Mill. Euro (evtl. auch mit Sperrvermerk) werden von uns unterstützt und mitgetragen. Mit einer Hochschule in unserem Kreis kann es uns gelingen die Abwanderung junger Menschen in die Ballungsräume zu stoppen und auch Studenten aus dem weiteren Umkreis an unsere Region zu binden. Auch glauben wir, dass mit einer Hochschule hohe Synergieeffekte für die heimische Wirtschaft gewonnen werden können. Es setzt aber voraus, dass das Land dieses Projekt uneingeschränkt unterstützt und fördert, wie dieses der Ministerpräsident in Aussicht gestellt hat. Nach dem 18.01.2009 müssen die Gespräche mit der Landesregierung fortgeführt werden, und wir gehen davon aus, dass nach dem 18. Januar 2009 mit der neuen Landesregierung eine starke Unterstützung durch das Land Hessen erreicht werden kann, um die notwendigen Rahmenbedingungen für eine Hochschule Waldeck-Frankenberg zu schaffen.“

Und auch der internationale Aspekt wird bei den Planungen berücksichtigt. Bereits jetzt gibt es einen Informationsaustausch mit der Partnerregion Burgenland in Österreich und der dortigen Fachhochschule, die mit ihren Standorten in Eisenstadt und Pinkafeld die Studiengänge Wirtschaft (mit Schwerpunkt Mittel- und Osteuropa), Informationstechnologie und –management, Energie- und Umweltmanagement sowie Gesundheit anbietet. Festzuhalten bleibt: Die Hochschule wäre ein Gewinn für die Region und eine Stärkung des Bildungsstandortes Waldeck-Frankenberg. Und auch das dahinterstehende Konzept überzeugt. Jetzt bleibt es abzuwarten, wie sich das Ganze weiterentwickelt und ob das Angebot auch von den potentiellen Studenten angenommen wird. Zu hoffen ist es, damit aus den ehrgeizigen Plänen kein Luftschloß, sondern eine zukunftsfähige Investition wird.

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